In harten Zeiten: Kößlarn dankt für die Ernte
Große Prozession mit Kindern erstmals seit 2019 – traditionelle Gewerbe präsentiert
Kößlarn. Zwei unglückliche Jahre hat das Kößlarner Erntedankfest hinter sich: erst die Absage 2020, dann konnte nur ein verkleinerter Umzug 2021 stattfinden – und ausgerechnet nun, zur Rückkehr, war der Tag zunächst von kühlem, windigem Regenwetter dominiert. In Anbetracht dieser Umstände konnte man noch zufrieden sein mit der Zahl an Zuschauern aus dem Ort und von auswärts, die am Sonntagvormittag den Marktplatz säumten. Die Kößlarner ließen sich ihr Fest vom Wetter nicht nehmen. Gemäß der alten Tradition dankten sie mit einer ehrwürdigen Prozession durch den Markt für die Ernte des Jahres, für die Lebensgrundlagen, die in den aktuell harten Zeiten von Inflation, Energie- und Finanzkrise wohl besonders kostbar sind. Die Erntedankprozession in Kößlarn ist ein alter Brauch, der mindestens auf das Jahr 1830 zurückgeht.
Der Feiertag begann mit dem Festgottesdienst in der mit Buchsbaumkränzen und mit Erntegaben liebevoll geschmückten Dreifaltigkeitskirche, den Pfarrer Jörg Fleischer unter der mächtigen Erntekrone zelebrierte. Die musikalische Gestaltung lag in den Händen der Kößlarner Blaskapelle sowie dem von Organistin Julia Hainthaler geführten Kirchenchor. In Vertretung des Corona-positiv getesteten Bürgermeisters Willi Lindner begrüßte zunächst dessen Stellvertreter Raymund Vogl-Hainthaler die Gäste. In seiner Predigt sprach der Pfarrer zum Erntedank die Dankbarkeit als notwendige menschliche Grundhaltung an, die leider oft unter den Tisch falle. Das ganze Leben solle aber voll Dankbarkeit sein – gegenüber Gott und den Mitmenschen. Gott stifte nicht nur die Fruchtbarkeit der Schöpfung, die uns alle notwendigen Gaben zum Leben schenke. So wie einst das Volk Israel führe er die Christen in die Freiheit Gottes. So seien auch die Gebote des Dekaloges nicht Einschränkungen menschlichen Lebens, sondern Ermöglichung dieser Freiheit, aus der als Früchte Friede und Liebe sowie ein glückliches Leben erwachsen.
Nach der geistlichen Feier bewegte sich unter mächtigem Glockengeläut die Erntedankprozession den neugestalteten Marktplatz hinunter bis in den Unteren Markt. Immerhin hatte Petrus offenbar ein Einsehen, denn der Regen hörte auf. Die Prozession bot wieder ein farbenfrohes Bild an historischen Berufen: Viele Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene repräsentierten in der bäuerlichen Rottaler Tracht das Land- und Erwerbsleben des 19. Jahrhunderts. Der Zug führten Träger der Fahne, des Kreuzes und von Heiligenfiguren an, gefolgt vom Herold, der einst die Ankunft von Heeren oder Adeligen verkündete, mit dem Marktwappen. Dann kamen die Hirten mit lebenden Ziegen, die gar nicht „bockten“, sondern ganz brav mittrotteten. Es folgten Bauern, die Erntekränze und Wägen mit landwirtschaftlichen Figurendarstellungen, dazu Dreschflegel und Sicheln und allerlei Ernteerträge mit sich führten, Tierzüchter mit Truthähnen, Gänsen, Enten und Hühnern in alten Holzkäfigen, mit Tauben in Steigen und zwei jungen Ferkeln in einem Wagen. Danach die Bäckerzunft, bei der Brote und andere Backwaren mitgeführt – und von den Jüngsten wohl auch in Teilen stante pede verzehrt – wurden. Imker zogen einen Bienenkorb mit sich, Holzfäller und Jäger waren mit Äxten und Gewehren bewaffnet. Auch gab es Weberinnen und Seilerinnen mit einem Webstuhl, Winzerinnen mit Weinfass und Reben, Gärtnerinnen mit Blumenkränzen sowie Köchinnen zu bewundern, ebenso einen Wagen mit dem Rottaler Vierseithof und Statuen u.a. der Bauernheiligen Notburga und Isidor.
Im Anschluss an die Vertreter der alten Berufe kam, angeführt von den Ministranten, die Geistlichkeit mit Pfarrer Jörg Fleischer, der das Allerheiligste trug, Vikar Bernard Cheemalapenta und Pfarrer i.R. Martin Breuer, die auch gemeinsam die Messe zelebriert hatten. Ihnen folgten die Ehrengäste: die stellvertretende Landrätin Cornelia Wasner-Sommer, die Bürgermeister Georg Hofer (Malching) und Markus Schusterbauer (Julbach), Kößlarns Altbürgermeister Franz Holub, Kreisrat Franz Schönmoser (Rotthalmünster), die stellvertretenden Bürgermeister Raymund Vogl-Hainthaler (Kößlarn) und Alfons Göttl (Bayerbach), Kreisbrandinspektor Peter Högl sowie mehrere Kößlarner Marktgemeinderäte. Das Ende des Zuges bildeten der Frauenbund Kößlarn, die Kößlarner Blaskapelle, die feierliche Lieder beisteuerte, die Feuerwehr, welche die Statue des Heiligen Florian mit sich trug, Reservistenverein, Bauern-, Arbeiter- und Schützenverein.
Zurück vor der Kirchenburg erteilte Pfarrer Fleischer den sakramentalen Segen und entließ alle Teilnehmer zu einem gemütlichen Beisammensein bei zünftiger Blasmusik und allerlei kulinarischen Genüssen am Marktplatz. -mn
Martin Niedermeier